Wie Schäfer ihre Hunde ausbilden!
Hundehalter, die „Hütehundrassen“ oder auch „Jagdhundrassen“ halten, bekommen oft den Rat, ihre Hunde immer zu beschäftigen und auszulasten. Es handelt sich schließlich um „Arbeitsrassen“, die sich sonst nicht „artgerecht“ halten lassen, die hektisch, nervös, unruhig und letztendlich nicht führbar werden würden. In Deutschland ist deswegen in der Hundeszene ein wahrer Auslastungs- und Beschäftigungswahn entstanden, welcher offensichtlich viele unruhige, hektische, hibbelige Hunde hervorgebracht hat.
Einige Wenige beginnen nun umzudenken, der Prozess wird aber noch viele Jahre in Anspruch nehmen, damit sich die Einstellung und Haltung dazu generell wieder ändert.
Grundsätzlich ist anzumerken, dass sog. Arbeitsrassen auch früher nicht 24 Stunden am Wild oder an den Schafen gearbeitet haben. Vor allem gab es in der Viehhaltung Zeiten, in denen ein Hütehund, Treibhund…. zeitweise gar keine Arbeit hatte, wir reden von den Monaten, in denen Schafe in den Stallungen verblieben, und früher auch niemand auf die Idee kam, während dieser Zeit die Hunde durch irgendwelche Aktivitäten zusätzlich bei Laune halten zu müssen. Dasselbe galt übrigens auch für Jagdhunde. Es gibt im Jagdbetrieb Schonzeiten, die sich teilweise über Monate hin erstreckten. Die Zeit der Treib- und Drückjagden erstreckte sich von Ende Oktober bis Ende Januar z.B. Den Rest des Jahres passierte nichts.
Die Ausbildung eines Hütehundes beginnt mit ca. einem halben Jahr. Sie werden mit zur Herde genommen und dürfen erstmal NICHT an die Herde. Die erste und wichtigste Aufgabe war beim Schäfer angeleint zu verbleiben und nichts anderes tun, als einfach da zu sein und Ruhe zu geben. Und sonst nichts. Warum? Die meiste Zeit an der Herde besteht aus „Warten und Nichtstun“. Dasselbe gilt übrigens auch für Jagdhunde. Die meiste Zeit besteht aus Warten, Ruhig sein und nichts tun.
Merke, so ganz nebenbei!
D.h. man fördert nicht die Fähigkeiten, die ein Hund von sich aus mitbringt, sondern man arbeitet an den Fähigkeiten wie Ruhe und Warten, die ein Hund von sich aus nicht ganz so gut kann.
Denn ein unruhiger, nervöser Hütehund oder ein unruhiger, nervöser, lauter Jagdhund ist nicht zu gebrauchen. Der Eine weil er die Schafe unruhig und nervös macht und der Andere durch seine Unruhe das Wild vertreiben würde.
Hat der Hund nicht gelernt an der Herde zu „schlafen“, würde er die ganze Zeit umher rennen, würde dabei viel zu viel Energie und Konzentration verbrauchen. Käme dann der wirkliche Einsatz, wäre er nicht gut steuerbar und würde an den Schafen viel zu wild sein. Das würde im Umkehrschluss dann die gesamte Herde in Unruhe bringen.
Der junge Hund lernt also bis er ca. ZWEI Jahre alt ist, nichts Anderes als „ruhig an der Herde zu sein“, d.h. er verbringt die Zeit angeleint neben dem Schäfer. Dabei schaut er den älteren Hunden zu und lernt das eine oder andere durch „Zuschauen“.
Hat der Schäfer Zeit werden verschiedene Signale trainiert wie Vorwärts, Stop, Links, Rechts. Dann erst, wenn die Hunde zwei bis zweieinhalb Jahre alt sind, dürfen sie zum ersten Mal an die Herde.
Damit ein Hund nicht überlastet wird, haben Schäfer in der Regel mehrere Hunde. Diese setzen sie nicht täglich ein, sondern 2-3 Tage in der Woche ein. So ein „Arbeitstag“ hat dann ein bis zwei Stunden aktive Arbeit an der Herde, ansonsten wird an der Herde geschlafen und geruht. D.h. da sie als Junghunde Ruhe an der Herde gelernt haben, können sie „wenn sie nicht dran sind“ sofort abschalten und schlafen, werden sie dann wieder gebraucht, sind sie sofort wieder „an“.
Wenn man sich also die Border Collies oder auch andere Hütehunde in Deutschland ansieht, so sieht man überwiegend überforderte, überlastete Hunde, die sehr lange brauchen, um wieder abzuschalten und wieder entspannt zu sein.
Klar gibt es auch im Hütebetrieb Tage, an denen die Hunde tatsächlich den ganzen Tag im Einsatz sein müssen. Das bedeutete aber dann auch, dass die Hunde ein paar TAGE ihre Ruhe bekommen.
Schäfer wissen, dass ihre Hunde nur dann optimale Leistung erbringen können, wenn sie ausreichend Schlaf und Pausen haben.
Wenn wir also nun überlegen, wie die meisten „Familienhunde“ tagtäglich ausgelastet werden, teilweise einen dicht getakteten Beschäftigungsplan haben, so verwundert es nicht, dass viele Hunde so unruhig und hibbelig sind. Also die Idee mit der täglichen Auslastung und Beschäftigung von Hunden stammt also nicht von denjenigen, die ihren Hund als Arbeitshund halten.
Quelle: Sarah Both Hund im Stress? Entspannter Hund – Entspannter Alltag